Verfasst von: Richard E. Kinard, M.D.
Beckenfrakturen, auch Insuffizienzfrakturen genannt, sind häufige osteoporotische Frakturen des Beckens und werden oft übersehen oder falsch diagnostiziert. Die häufigste dieser Beckenfrakturen betrifft das Kreuzbein und wird als Sakralinsuffizienzfraktur bezeichnet. Obwohl auch andere Teile des Beckens von ähnlichen Frakturen betroffen sein können, werden in diesem Artikel die Symptome, die Diagnose und die verfügbaren Behandlungsmethoden für Sakralinsuffizienzfrakturen beschrieben.
Das Problem
Bei einer Sakralinsuffizienzfraktur ist der Knochen, meist aufgrund von Osteoporose, so geschwächt, dass er schon bei geringem Körpergewicht oder minimalem Trauma nachgibt. Sakrale Insuffizienzfrakturen gibt es schon so lange wie Osteoporose, aber sie wurden bisher weniger beachtet als Rücken- und Hüftfrakturen. Tatsächlich wurde diese Erkrankung erst 1982 erstmals in der Literatur beschrieben.(1) Ein Grund dafür, dass diese Diagnose nicht erkannt wurde, sind die unspezifischen, aber manchmal schweren Symptome. Die Symptome überschneiden sich mit denen anderer Probleme im unteren Rückenbereich, wie z. B. Bandscheibenvorfall, Facettenarthritis und Kompressionsfrakturen: Wenn ein älterer Patient in der Notaufnahme vorstellig wird, ordnet der Notarzt in der Regel als erstes eine Röntgenuntersuchung an. Bei der Untersuchung auf eine Sakralinsuffizienzfraktur wird das Röntgenbild fast immer normal sein. Da das Röntgenergebnis „negativ“ ist, wird der Patient oft nach Hause geschickt oder sogar mit anhaltenden Schmerzen und ohne Diagnose im Krankenhaus behalten.
Ein weiterer Grund dafür, dass Sakralinsuffizienzfrakturen erst seit kurzem als Diagnose anerkannt werden, ist, dass hochentwickelte bildgebende Untersuchungen wie MRT, CT und Knochenscans erst in den 70er und 80er Jahren eingeführt wurden. Eine dieser drei hochentwickelten bildgebenden Untersuchungen ist erforderlich, um die Diagnose genau zu stellen.
Diagnose
Sakralinsuffizienzfrakturen sind schwer zu diagnostizieren. Wenn ein zuvor aktiver älterer Patient, meist eine Frau, sich mit starken neuen Schmerzen in einem oder beiden Gesäßhälften vorstellt und sich nicht mehr bewegen kann, sollte bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgegangen werden, dass der Patient eine Sakralinsuffizienzfraktur hat. Die Symptome treten oft schleichend auf, ohne dass ein Ereignis bekannt ist. In anderen Fällen beginnen die Symptome nach einem leichten Sturz auf das Gesäß, einem Fehltritt von einer Bordsteinkante oder nach zu hartem Hinsetzen. Die Schmerzen können in die Leiste oder die Rückseite des Beins ausstrahlen.
Eine Kernspintomographie ist die beste Untersuchung, um eine Sakralinsuffizienzfraktur zu diagnostizieren. Häufig wird jedoch eine Routine-MRT der Lendenwirbelsäule angeordnet, die nur einen kleinen oberen Teil des Kreuzbeins umfasst. Wenn ein Patient nicht in der Lage ist, ein MRT zu machen, ist ein CT die zweitbeste Untersuchung, um die Fraktur zu diagnostizieren. Selbst bei einer CT-Untersuchung kann eine Sakralinsuffizienzfraktur sehr subtil sein und oft übersehen werden, es sei denn, der Radiologe hat einen hohen Verdachtswert. Eine weitere Untersuchung zur Diagnose einer Sakralinsuffizienzfraktur ist die Radionuklid-Knochenuntersuchung. Die Radionuklid-Knochenbildgebung ist für diese Frakturen empfindlich, zeigt aber leider nicht die eigentliche Fraktur, sondern nur die abnorme Knochenaktivität oder den „Hot Spot“.
Konservative Behandlung
Die konservative Behandlung, die in der Regel bei der Erstdiagnose eingeleitet wird, war bis vor 10 Jahren die einzige Behandlungsmöglichkeit. Sie ist jedoch nicht ohne Risiko. Da sie mit Bettruhe, teilweiser Gewichtsbelastung und Schmerzmitteln verbunden ist, besteht das Risiko einer tiefen Venenthrombose (Bildung eines Blutgerinnsels in einer tiefen Vene), einer Lungenembolie (Verstopfung einer oder mehrerer Lungenarterien), einer Abnahme der Muskelkraft, einer Lungenentzündung und einer Depression. Schmerzmedikamente können bei dieser Patientengruppe zu erheblicher Verstopfung führen. Ältere Patienten verlieren mit jeder Woche Bettruhe 10 Prozent ihrer Muskelmasse. Psychische Depressionen können erheblich sein, wenn die Immobilisierung bei einer zuvor unabhängigen Person verlängert wird.
Sakroplastie
Die Sakroplastie als Behandlung von Sakralinsuffizienzfrakturen wurde erstmals 2002 beschrieben.(2) Das Verfahren ist eine Erweiterung der Vertebroplastie und Kyphoplastie, die sich als Behandlungsmethoden für Wirbelkompressionsfrakturen durchgesetzt haben. Die Injektion von Knochenzement in eine Wirbelkompressionsfraktur wurde 1987 in Frankreich entwickelt,(3,4) wurde aber erst in den 1990er Jahren in den Vereinigten Staaten populär.(5) Die Sakroplastie hat sich aus mehreren Gründen nicht durchgesetzt. Einer dieser Gründe ist, dass Sakralinsuffizienzfrakturen seltener erkannt wurden und man sie für Scherfrakturen und nicht für Kompressionsfrakturen hielt. Ein zweiter Grund ist, dass die Technik der Sakroplastik aufgrund der komplexen Form des Kreuzbeins technisch anspruchsvoller ist.
Die Sakroplastik wird ambulant und mit minimaler oder ohne Sedierung durchgeführt. Unter örtlicher Betäubung wird eine Nadel in den größten Teil des Kreuzbeins, die sogenannte Sakralala, eingeführt. Dies kann unter Röntgendurchleuchtung oder unter CT-Kontrolle erfolgen; beide Methoden haben Vorteile. Sobald sich die Nadel an der richtigen Stelle befindet, wird Polymethylmethacrylat (PMMA – Knochenzement) gemischt und langsam in den gebrochenen Bereich injiziert. Der Zement härtet innerhalb einer Stunde aus. Der Patient bleibt nach dem Eingriff eine Stunde lang in Bauch- oder Rückenlage liegen. Nach einer Stunde kann der Patient aufstehen, in der Regel mit viel weniger Schmerzen als vor dem Eingriff.
Zu den sehr unwahrscheinlichen Komplikationen gehören wie bei jedem anderen invasiven Eingriff die Gefahr von Blutungen oder Infektionen. Es besteht auch eine sehr geringe Chance, dass der Zement aus dem eigentlichen Bruchbereich in eine Vene oder einen Nervenkanal austritt.
Die Pflege nach dem Eingriff ist minimal. Autofahren ist am Tag des Eingriffs wegen der möglichen Verwendung von Beruhigungsmitteln nicht erlaubt. Normale Aktivitäten mit routinemäßigen Osteoporose-Vorsichtsmaßnahmen können am nächsten Tag wieder aufgenommen werden. Wenn sich die Behandlung oder Diagnose um mehr als ein paar Wochen verzögert hat oder wenn der Patient geschwächt ist, kann eine Physiotherapie und/oder Rehabilitation erforderlich sein, um Kraft aufzubauen und die Mobilität wiederzuerlangen.