Forscher um Dr. Christina Zielinski, Professorin am Institut für Virologie der Technischen Universität München (TUM), haben nach eigenen Angaben in Zellkulturen nachgewiesen, dass Salz zur Bildung von Th2-Zellen führt, die bei allergischen Erkrankungen wie Neurodermitis aktiv sind. Das Team wies auch erhöhte Salzkonzentrationen in der Haut von Patienten nach.
Die Wissenschaftler veröffentlichten ihre Studie („Sodium chloride is an ionic checkpoint for human TH2 cells and shapes the atopic skin microenvironment“) in Science Translational Medicine.
„Die Häufigkeit von allergischen Erkrankungen hat in den letzten 50 Jahren zugenommen, wahrscheinlich aufgrund von Umweltfaktoren. Die Art dieser Faktoren und die Wirkungsweise, durch die sie die für atopische Erkrankungen charakteristische Typ-2-Immunabweichung hervorrufen, sind jedoch nach wie vor unklar. Es wurde bereits berichtet, dass Natriumchlorid die Polarisierung von T-Helfer 17 (Th17)-Zellen fördert, was sich auf Autoimmunerkrankungen wie Multiple Sklerose auswirkt“, schreiben die Forscher.
„Hier zeigen wir, dass Natriumchlorid auch Th2-Zellantworten auf mehreren regulatorischen Ebenen stark fördert. Natriumchlorid steigerte die Produktion von Interleukin-4 (IL-4) und IL-13 und unterdrückte gleichzeitig die Produktion von Interferon-gamma (IFN-gamma) in T-Gedächtniszellen. Es lenkte alternative T-Zell-Schicksale in den Th2-Zell-Phänotyp um und induzierte auch eine de novo Th2-Zell-Polarisierung aus naiven T-Zell-Vorläufern.
„Mechanistisch gesehen übte Natriumchlorid seine Wirkung über den osmosensitiven Transkriptionsfaktor NFAT5 und die Kinase SGK-1 aus, die unter hyperosmolaren Salzbedingungen Th2-Signatur-Zytokine und Master-Transkriptionsfaktoren regulierten. Die Haut von Patienten, die an atopischer Dermatitis leiden, enthielt einen erhöhten Natriumgehalt im Vergleich zu nicht atopischer und gesunder Haut. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Natriumchlorid einen bisher übersehenen kutanen Mikroumgebungs-Checkpoint bei atopischer Dermatitis darstellt, der Th2-Zellreaktionen auslösen kann, die für atopische Erkrankungen verantwortlich sind.“
Typen von T-Zellen, die keine Allergien auslösen sollten, können sich in Gegenwart von Salz in Th2-Zellen verwandeln. Die Veränderungen werden wieder rückgängig gemacht, wenn die T-Zelle wieder einem niedrigeren Salzgehalt ausgesetzt wird. „Folglich spielen ionische Signale eine Rolle bei der Entstehung und Kontrolle von Th2-Zellen“, so Zielinski, dessen Team untersuchte, ob die betroffenen Hautregionen von Neurodermitis-Patienten erhöhte Natriumwerte aufweisen. „Die Messung der Natriumkonzentration im Gewebe ist kompliziert“, erklärt die Erstautorin der Studie, Julia Matthias. „Gelöstes Salz im Blut kann mit klinischen Standardmethoden gemessen werden. Aber für die Haut brauchten wir die Hilfe von Kollegen aus der Kernchemie und -physik.“
Sie untersuchten die Hautproben an der Forschungsneutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der TUM und am Institut für Kernchemie der Universität Mainz mittels Neutronenaktivierungsanalyse. Dabei zeigte sich, dass die Natriumwerte in den betroffenen Hautarealen von Neurodermitis-Patienten bis zu 30-mal höher sind als in gesunder Haut.
„Die höheren Natriumwerte in der betroffenen Haut passen gut zu einem weiteren Merkmal der Neurodermitis“, sagt Zielinski. „Es ist schon seit einiger Zeit bekannt, dass Patienten mit dieser Erkrankung erhöhte Werte des Bakteriums Staphylococcus aureus auf ihrer Haut haben. Dabei handelt es sich um Bakterien, die unter salzhaltigen Bedingungen gedeihen, im Gegensatz zu anderen kommensalen Bakterien, die durch Salz sogar geschädigt werden.“
Sie glaubt, dass diese und andere Erkenntnisse sowie die aktuellen Forschungsergebnisse auf einen Zusammenhang zwischen Salz und dem Auftreten von Neurodermitis hindeuten.
„Wir konnten allerdings noch nicht zeigen, wie diese großen Salzmengen in die Haut gelangen“, räumt sie ein. „Aus diesem Grund wissen wir auch nicht, wie eine salzarme oder salzreiche Ernährung mit dem Auftreten und dem Fortschreiten der atopischen Dermatitis oder anderer allergischer Erkrankungen zusammenhängt.“
Zielinski und Kollegen planen, diese und andere Fragen in künftigen interdisziplinären Studien zu untersuchen.