Von Marcia H. Ratner PhD, DABT

CTE: Chronisch traumatische Enzephalopathie

Viele Menschen sind mit der medizinischen Diagnose der chronisch traumatischen Enzephalopathie oder „CTE“ vertraut, die mit wiederholten subtilen Hirnverletzungen in Verbindung gebracht wird, wie sie bei Profifußballern auftreten. Weitaus weniger Menschen wissen jedoch, dass es eine weitere gängige Verwendung des Akronyms CTE gibt, die auf der medizinischen Diagnose der chronischen „toxischen“ Enzephalopathie beruht, die mit wiederholten Expositionen gegenüber geringen Mengen neurotoxischer Chemikalien am Arbeitsplatz und in der Umwelt in Verbindung gebracht wird. Diese weniger bekannte Ursache der chronischen „Enzephalopathie“ und ihr verwandtes Gegenstück, die „akute“ toxische Enzephalopathie, sind die Themen, die ich in diesem Blog-Beitrag erörtern werde.

Verständnis der Enzephalopathie

Zu Beginn dieser Diskussion möchte ich zunächst klären, was mit dem Begriff „Enzephalopathie“ gemeint ist. Laut Taber’s Cyclopedic Medical Dictionary ist eine Enzephalopathie „jede Funktionsstörung des Gehirns“. Ausgehend von dieser allzu weit gefassten Definition ist es natürlich leicht einzusehen, warum der Begriff Enzephalopathie weiter eingegrenzt werden muss. Abgesehen von traumatischen Hirnverletzungen tritt eine Enzephalopathie auch bei Patienten mit Nierenversagen (urämische Enzephalopathie) und Leberversagen (hepatische Enzephalopathie) sowie, wie bereits erwähnt, bei Personen auf, die toxischen Chemikalien ausgesetzt waren (toxische Enzephalopathie). In jedem der oben genannten Beispiele umfassen die Symptome der Enzephalopathie typischerweise Veränderungen der Stimmung und des Affekts, Probleme mit der Aufmerksamkeit und der exekutiven Funktion, Gedächtnisdefizite und Störungen der psychomotorischen Funktion.

Nachfolgend möchte ich den Begriff der toxischen Enzephalopathie näher erläutern, der, wie der Name schon sagt, eine Konstellation anhaltender neurologischer Verhaltensänderungen darstellt, die chronologisch mit einer Exposition gegenüber neurotoxischen Chemikalien in Verbindung gebracht werden können. Wenn die Symptome einer toxischen Enzephalopathie unmittelbar nach einer einzigen akuten Exposition gegenüber hohen Konzentrationen toxischer Chemikalien auftreten, wird die Diagnose als akute toxische Enzephalopathie bezeichnet. Diese Art der toxischen Enzephalopathie lässt sich allein anhand der Expositionsgeschichte und der klinischen Symptome relativ leicht diagnostizieren. Im Gegensatz dazu treten die Symptome der chronischen toxischen Enzephalopathie schleichend im Laufe der Zeit in Verbindung mit einer wiederholten oder chronischen Exposition gegenüber geringen Mengen neurotoxischer Stoffe auf. Da eine chronische Exposition gegenüber toxischen Chemikalien auf niedrigem Niveau oft keine akuten beobachtbaren Verhaltensänderungen hervorruft, die auf die Exposition an sich zurückzuführen sind, ist diese Art der toxischen Enzephalopathie viel schwieriger zu erkennen und zu diagnostizieren (siehe Feldman, Ratner und Ptak, 1999; Ratner und Jabre, 2017).

Toxische vs. traumatische Enzephalopathie

Nachdem wir nun die grundlegenden Begriffe definiert haben, wollen wir uns einen Moment Zeit nehmen, um traumatische Enzephalopathie und toxische Enzephalopathie zu vergleichen. Die erste wichtige Unterscheidung, die es wert ist, näher erörtert zu werden, besteht darin, dass beide Arten der Enzephalopathie je nach Dauer und Intensität der Ereignisse, die zu der Enzephalopathie geführt haben, weiter qualifiziert werden können. Sowohl ein schweres Trauma durch stumpfe Gewalteinwirkung als auch die Exposition gegenüber hohen Konzentrationen toxischer Chemikalien können zu vorübergehenden Verhaltensänderungen und/oder zum Verlust des Bewusstseins führen. Darüber hinaus können beide Ursachen für akute Hirnverletzungen bei den Opfern nach Wiedererlangung des Bewusstseins dauerhafte neurologische Verhaltensstörungen hinterlassen. Von nun an werde ich sie als akute traumatische Enzephalopathie und akute toxische Enzephalopathie bezeichnen.

Die zweite wichtige Unterscheidung besteht darin, dass beide Arten von Enzephalopathie nach einer Reihe von relativ geringfügigen Ereignissen auftreten können, die keine offensichtlichen Veränderungen des Verhaltens oder des Bewusstseins hervorrufen. Sowohl das leichte, sich wiederholende stumpfe Gewalttrauma, das bei Profifußballern auftritt, als auch die tägliche, sich wiederholende Exposition gegenüber niedrigen Konzentrationen toxischer Chemikalien, wie sie typischerweise in der Arbeitswelt anzutreffen sind, können mit der Zeit zu einer schleichenden Entwicklung neurologischer Verhaltensänderungen führen, ohne dass es jemals zu unmittelbar beobachtbaren akuten Veränderungen des Bewusstseins oder des Verhaltens kommt. Im Gegensatz zu den Verhaltensänderungen, die auf eine schwere Kopfverletzung oder eine hohe toxische Belastung folgen, sind die neurologischen Veränderungen, die mit wiederholten Traumata und schwachen toxischen Belastungen einhergehen, anfangs oft subtil, entwickeln sich mit der Zeit langsam und treten vor allem in Verbindung mit dem Alterungsprozess auf. Infolgedessen lassen sich die neurologischen Veränderungen, die mit wiederholten stumpfen Gewalteinwirkungen und chronischer Exposition gegenüber toxischen Chemikalien einhergehen, nicht so leicht den jeweiligen Ursachen zuordnen. Von nun an werde ich sie als chronisch-traumatische Enzephalopathie bzw. chronisch-toxische Enzephalopathie bezeichnen.

Diagnose stellen

Bei jeder der bisher beschriebenen Arten von Enzephalopathie ist der auffälligste biologische Marker die Verhaltensänderung, die mit der vermuteten Ursache der Hirnverletzung in Verbindung gebracht werden muss, bevor der qualifizierende Begriff für die spezifische Art von Enzephalopathie definiert und die Diagnose gestellt wird. Dies geschieht zum Teil auf der Grundlage einer sehr sorgfältigen Prüfung der beruflichen, berufsbegleitenden und medizinischen Vorgeschichte des einzelnen Patienten. Wenn der Patient beispielsweise 10 Jahre lang Profifußball gespielt hat und weder beruflich noch berufsbegleitend mit neurotoxischen Chemikalien in Berührung gekommen ist, sollte die Diagnose einer chronisch-traumatischen Enzephalopathie in Betracht gezogen werden. Hat der Patient dagegen nie Amateur- oder Profi-Kontaktsportarten betrieben und berichtet über keine akuten Kopfverletzungen, die zu einem Bewusstseinsverlust geführt haben, aber über eine chronische berufliche Exposition gegenüber neurotoxischen Lösungsmitteln während seiner 10-jährigen Tätigkeit als Maschinenschlosser, sollte die Diagnose einer chronisch toxischen Enzephalopathie in Betracht gezogen werden. In beiden Fällen müssen die Symptome der Enzephalopathie auch von denen unterschieden werden, die mit Leber- oder Nierenversagen sowie mit fortschreitenden neurodegenerativen Erkrankungen wie der Alzheimer-Krankheit einhergehen.

Neben einer guten Anamnese gibt es auch einzigartige Symptomkonstellationen, die dem Arzt helfen, eine Art von Enzephalopathie von einer anderen zu unterscheiden. Zum Beispiel ist die hepatische Enzephalopathie typischerweise mit abnormen Leberfunktionstests verbunden, während die urämische Enzephalopathie mit biologischen Markern einer Nierenfunktionsstörung einhergeht. In beiden Fällen bessern sich die Symptome der Enzephalopathie häufig mit der Behandlung der zugrunde liegenden Erkrankung (z. B. Leber- oder Nierentransplantation). Die Alzheimer-Krankheit hingegen lässt sich von diesen anderen Ursachen der Enzephalopathie dadurch unterscheiden, dass es keine abnormalen biologischen Marker für die Nieren- oder Leberfunktion gibt und die Verhaltensdefizite im Laufe der Zeit unaufhaltsam zunehmen. Die gleiche Logik gilt für die frontotemporale Demenz.

Die toxische Enzephalopathie muss ebenfalls von jeder der oben beschriebenen Erkrankungen abgegrenzt werden. In einigen Fällen wird die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie dadurch erschwert, dass toxische Chemikalien auch die Leber und die Nieren schädigen können. In diesem Fall muss die Leber- und/oder Nierenfunktionsstörung erfolgreich behandelt werden, bevor die Diagnose einer toxischen Enzephalopathie in Betracht gezogen werden kann.

Da einige Patienten zum Zeitpunkt ihrer Exposition unweigerlich eine subklinische oder latente neurodegenerative Erkrankung haben, kann die Hirnschädigung durch die Exposition gegenüber toxischen Chemikalien die Symptome ihrer idiopathischen Erkrankung demaskieren oder verschlimmern. Im Falle einer akuten Exposition, die eine latente neurodegenerative Erkrankung demaskiert, ist dies eine relativ einfache Diagnose, die auf der Grundlage der Chronologie der Ereignisse und der Schwere der akuten Symptome gestellt werden kann. Im Gegensatz dazu sind die Wechselwirkungen zwischen einer chronischen beruflichen und umweltbedingten Exposition gegenüber toxischen Chemikalien und dem Auftreten und Fortschreiten einer neurodegenerativen Erkrankung komplexer. Dennoch muss der Arzt in beiden Fällen zusätzliche Tests anordnen, um zu klären, inwieweit die toxische Belastung den neurodegenerativen Krankheitsprozess verschlimmert oder verändert hat. Zu diesen Tests können bildgebende Untersuchungen, neuropsychologische Reihenuntersuchungen und Medikamentenbelastungstests gehören, um festzustellen, ob ein komorbider neurodegenerativer Prozess wie die Alzheimer-Krankheit bei der Differentialdiagnose berücksichtigt werden muss.

Die Unterschiede zwischen Alzheimer und toxischer Enzephalopathie

Da die chronische toxische Enzephalopathie klinische Manifestationen mit der Alzheimer-Krankheit gemeinsam hat, wäre keine Diskussion über dieses Thema vollständig ohne einen kurzen Überblick darüber, wie sich diese beiden neurologischen Störungen sowohl klinisch als auch neuropathologisch voneinander unterscheiden. Die erste und wichtigste Erkenntnis ist, dass die Alzheimer-Krankheit eine fortschreitende neurodegenerative Störung ist. Daher können serielle neuropsychologische Beurteilungen verwendet werden, um das Fortschreiten dieser Krankheit im Laufe der Zeit effektiv zu dokumentieren. Im Gegensatz dazu zeigen serielle neuropsychologische Beurteilungen von Patienten, bei denen eine chronische toxische Enzephalopathie diagnostiziert wurde, häufig eine gewisse Verbesserung der Funktion nach Beendigung der Exposition. Darüber hinaus sind alle verbleibenden neurologischen Anzeichen und Symptome, die nach Beendigung der Exposition nicht verschwinden, oft stabil und zeigen nur eine geringe oder keine weitere Progression im Laufe der Zeit. Zweitens sind die Ergebnisse der Neurobildgebung bei der Alzheimer-Krankheit ebenfalls relativ einzigartig für diese neurodegenerative Erkrankung und zeigen eine überproportionale bilaterale Atrophie der medialen Temporallappen. Dieser Bildgebungsbefund ist nicht typisch für eine chronisch toxische Enzephalopathie. Schließlich haben Patienten mit Alzheimer-Krankheit häufig Wortfindungsprobleme, die als „Anomie“ bezeichnet werden und bei chronisch toxischer Enzephalopathie nicht typisch sind. Eine diagnostische Dreiergruppe bei diesen drei Einschluss-/Ausschlusskriterien ist ein starkes Indiz dafür, dass es sich bei der Diagnose um die Alzheimer-Krankheit und nicht um eine chronische toxische Enzephalopathie handelt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die chronische toxische Enzephalopathie eine klinische Diagnose ist, die auf der Grundlage der Berufs- und Umweltexpositionsgeschichte und dem sorgfältigen Ausschluss aller anderen möglichen Ursachen für die beobachteten klinischen Manifestationen gestellt wird.

Was ist zu tun, wenn Sie neurotoxischen Chemikalien ausgesetzt waren

Wenn Sie während oder unmittelbar nach einer akuten Exposition gegenüber potenziell neurotoxischen Chemikalien plötzlich auftretende Verhaltenssymptome bemerken, sollten Sie sofort einen Arzt aufsuchen. Ebenso sollten Sie bei allen Symptomen einer akuten Notlage oder eines akuten medizinischen Notfalls, die im Zusammenhang mit einer wiederholten oder chronischen Exposition gegenüber Chemikalien auftreten, sofort einen Arzt aufsuchen. Im Gegensatz dazu sollten Sie Ihren Hausarzt aufsuchen, wenn Sie subtile neurologische Verhaltenssymptome verspüren, die sich im Laufe von Monaten oder Jahren der Arbeit mit Chemikalien schleichend entwickelt haben, und wenn Sie auch keine Symptome einer akuten Notlage oder eines akuten medizinischen Notfalls verspüren. Die meisten Ärzte, die sich auf Notfallmedizin spezialisiert haben, haben zwar Erfahrung mit der Behandlung akuter neurologischer Folgen einer Exposition gegenüber toxischen Chemikalien, doch verfügen diese Fachärzte und auch Allgemeinmediziner nur selten über das notwendige Fachwissen, um die mit einer akuten oder chronischen toxischen Enzephalopathie verbundenen neurologischen Spätfolgen zu erkennen, zu diagnostizieren und/oder zu behandeln. Die gute Nachricht ist, dass es Ärzte gibt, die sich auf Arbeits- und Umweltmedizin spezialisiert haben. Wenn Ihr Hausarzt mit der Diagnose und Behandlung der neurologischen Folgen akuter oder chronischer Chemikalienexposition nicht vertraut ist, sollten Sie ihn um eine Überweisung an einen Facharzt für Arbeitsmedizin in Ihrer Nähe bitten. Der Facharzt für Arbeitsmedizin verfügt über die notwendige Ausbildung und das Fachwissen, um mit einem Team von Neurologen, Neuropsychologen und Toxikologen effektiv zusammenzuarbeiten, um die richtige Diagnose zu stellen und einen geeigneten Behandlungsplan zu entwickeln.

  1. Feldman R.G., Ratner M.H., and Ptak T.: Chronic toxic encephalopathy in a painter exposed to mixed solvents. Harvard School of Public Health, Grand Rounds in Environmental Medicine. Environ Health Perspect, 107(5): 417-422, 1999.
  2. Ratner, M.H., Jabre, J.F. (2017) Neurobehavioral Toxicology. In: Reference Module in Neuroscience and Biobehavioral Psychology, Elsevier.

Über Marcia H. Ratner PhD, DABT: „Ich habe meinen Doktor in Verhaltensneurowissenschaften an der Boston University School of Medicine gemacht, wo ich in der Abteilung für Neurologie bei dem verstorbenen Dr. Robert Feldman ausgebildet wurde. Anschließend absolvierte ich ein NIH/NIA-Postdoktorandenstipendium in der Biochemie des Alterns. Ich bin ein zertifizierter Toxikologe und Mitglied der Society of Toxicology und der American Academy of Clinical Toxicology. Derzeit untersuche ich mit elektrophysiologischen In-vivo-Techniken die Auswirkungen von Chemikalien auf die Lern- und Gedächtnisfunktion bei gesunden Probanden und solchen mit altersbedingten neurodegenerativen Erkrankungen. Ich habe Anwaltskanzleien, Behörden und die Industrie als Experte beraten.“

Ich habe an der Boston University School of Medicine in Verhaltensneurowissenschaften promoviert, wo ich in der Abteilung für Neurologie bei dem verstorbenen Dr. Robert Feldman ausgebildet wurde. Anschließend absolvierte ich ein NIH/NIA-Postdoktorandenstipendium in der Biochemie des Alterns. Ich bin ein zertifizierter Toxikologe und Mitglied der Society of Toxicology und der American Academy of Clinical Toxicology. Ich verwende derzeit elektrophysiologische In-vivo-Techniken, um die Auswirkungen von Chemikalien auf die Lern- und Gedächtnisfunktion bei gesunden Probanden und solchen mit altersbedingten neurodegenerativen Erkrankungen zu untersuchen. Ich habe Anwaltskanzleien, Regierungsbehörden und die Industrie als Experte beraten.

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